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Rezension zu Tamim Ansary, Die unbekannte Mitte der Welt. Eine Globalgeschichte der islamischen Welt

Auf dieser Seite versuchen wir im Rahmen einer Rezension die "Globalgeschichte aus islamischer Sicht" von Tamim Ansary für die Schule fruchtbar zu machen.

  1. In der heutigen Zeit, in der sich in bisher unbekannter Weise ganz verschiedene Kulturen begegnen - und das nicht mehr in der Perspektive des Von-oben-herab wie in der Zeit des europäischen Imperialismus - in dieser Zeit muss man froh sein, dass es Autoren wie Tamim Ansary gibt, der “Die unbekannte Mitte der Welt” präsentiert. Damit ist nicht etwa das chinesische “Reich der Mitte” gemeint, das schon seit längerem immer stärker ins öffentliche Bewusstsein vordringt, sondern die Welt des Islam, der zwar über die Migrationsbewegung der letzten Jahrzehnte immer präsenter geworden ist, über dessen Geschichte und Entwicklung man aber in weiten Kreisen Europas kaum etwas weiß.
     

  2. Der in Afghanistan geborene und aufgewachsene Autor, der heute in Kalifornien lebt, präsentiert in seinem 2010 erschienenen Werk nun nicht etwa die Geschichte der muslimischen Welt als Anhängsel der bekannten europäischen Geschichte, sondern hat den Mut, eine “Globalgeschichte aus islamischer Sicht “ (so der Untertitel des Buches) zu schreiben, also wirklich die komplette Perspektive und Schwerpunktsetzung probeweise zu verändern.

    Tamim Ansary, Die unbekannte Mitte der Welt. Eine Globalgeschichte der islamischen Welt, Campus Verlag, Ffm 2010
     

  3. In der Einleitung (ab Seite 11) beschreibt der Autor zunächst seine eigene Geschichte zwischen begeisterter Aufnahme der europäischen Perspektive und der zunehmenden Frage, ob in der Geschichte der Menschheit nicht dem Islam ein sehr viel größeres Gewicht gegeben werden müsse. Bei so einem Versuch, diesem Ansatz in einem amerikanischen Geschichtsbuch für die Mittelstufe gerecht zu werden, ist ihm dann klar geworden, dass die Geschichte der islamischen Welt eine “vollkommen eigenständige und alternative Geschichte der Welt, eine Konkurrenzerzählung” (16) zu dem ist, was in früheren entsprechenden Geschichtsbüchern zu finden war. Das schließt auch ein, dass dem Fortschrittsgedanken, der dort zu finden war, eine Sichtweise entgegengesetzt werden muss, die die Entwicklung zwischen Mittelalter und Moderne eher als Rückschritt des eigenen religiösen und kulturellen Bereichs sieht, bei dem allerdings immer eine “gegenläufige Unterströmung” übriggeblieben ist, aus dem schließlich ein neuer Aufstieg der islamischen Welt geworden ist - mit gigantischen Herausforderungen für den sich überlegen dünkenden Westen.
     

  4. Sehr ansprechend ist das Selbstverständnis des Autors beim Schreiben seines Buches: “ … dieses Buch ist kein Schulbuch und keine wissenschaftliche Abhandlung. Es ist eher das, was ich Ihnen in einem Café erzählen würde, wenn Sie mich fragen würden, was es denn mit dieser parallelen Weltgeschichte auf sich hat.” (19)
     

  5. Den Schluss der Einleitung bildet die Begründung dafür, dass in dem Buch der Anfangszeit des Islam sehr viel Raum gegeben wird, das hänge einfach damit zusammen, dass diese Zeit für die Muslime bis heute eine ganz besondere Bedeutung habe- mit Erzählungen “irgendwo zwischen Wahrheit und Mythos. Wenn wir sie ohne das menschliche Drama erzählen, dann verstehen wir nicht, welche Bedeutung sie für Muslime haben und warum Muslime im Laufe ihrer Geschichte wie gehandelt haben. Daher werde ich diese Geschichte als menschliches Drama erzählen.” (21)

 

 

Kapitel 1: Die Welt der Mitte (S. 23-36)

Zu Beginn des ersten Kapitels erklärt der Verfasser zunächst einmal, was er unter “Mitte der Welt” versteht. Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass es in der Antike zwei große geschichtlich bedeutsame Räume gegeben habe, einmal den mehr durch die Seefahrt bestimmten des Mittelmeers und dann einen durch Landwege geprägten von Ägypten bis nach Indien. Den hierfür gängigen Begriff des “Nahen Ostens” findet Ansary unpassend, weil er nur aus europäischer Perspektive passend sei. Besser findet er “Welt der Mitte”, “da sie zwischen der Welt des Mittelmeers und der Welt Chinas liegt”. (24)

 

Im Vergleich zu anderen Weltgegenden wie den beiden Amerikas oder Afrika südlich der Sahara und eben auch China versteht er den Mittelmeerraum und seine “Welt der Mitte” als “interkommunizierende Regionen” (25), allerdings mit dem “schmalsten Flaschenhals  der Welt” (25), der “Meerenge des Bosporus” (25). Für ihn ergeben sich hier zwei Aspekte, einmal durch die Trennung zwei unterschiedliche “Versionen der Weltgeschichte” (26), zum anderen aber auch einen “schmalen Landstreifen, in dem sich heute Israel, der Libanon, Syrien und Jordanien” (26) als eine Art Übergangsbereich befinden mit den entsprechenden Zuordnungsproblemen bis heute.

 

Auf den Seiten 26-32 stellt der Verfasser den ständigen Wechsel der Herrschaft im flachen und damit zugleich gegenüber den Nachbarn ungeschützten Zweistromland des heutigen Irak vor. Interessant die Herrschaftstechnik der Assyrer: “Sie waren nämlich der Ansicht, dass Völker, die ihre Heimat verloren hatten, unter Fremden lebten und keinen Zugang zu ihren vertrauten Ressourcen hatten, viel zu verwirrt und unglücklich waren, um eine Rebellion anzuzetteln.” (28) Dementsprechend wurde systematisch und großräumig zwangsumgesiedelt, was auch die Juden zur Zeit von König Nebukadnezar traf.

 

Sehr viel positiver wird demgegenüber das Herrschaftssystem der Perser eingeschätzt. Die ließen nämlich die verschleppten Völker wieder in ihre Heimat zurückkehren und begnügten sich damit, “einen Festungsgürtel zu errichten, um die Barbaren aus ihrem Bereich fernzuhalten und es anständigen Menschen zu ermöglichen, auf der zivilisierten Seite des Zauns ein gesittetes Leben zu führen.” (29) Insgesamt wird bei den Persern positiv hervorgehoben, dass sie sich also um eine “multikulturelle Strategie” (30) bemühten, was später von den Muslimen aufgegriffen worden sei und bis zum Ende des osmanischen Reichs funktioniert habe.

 

Auf den Seiten 30-31 wird die vom Philosophen Zoroaster ausgehende dualistische Religion vorgestellt, mit zwei konkurrierenden Gottheiten, von denen die eine für das Gute, die andere für das Böse zuständig ist. Der Mensch ist aufgefordert, sich für den richtigen Weg zu entscheiden und kann so sogar nach dem Tode in ein  Paradies kommen. Für den Islam ist interessant, dass sein strenges Bilderverbot hier seinen Ursprung hat.

Ab Seite 32 präsentiert der Verfassung den weiteren Verlauf der Geschichte bis zur Entstehung des Islam aus der besonderen Perspektive seiner Mitte der Welt:

 

Zunächst geht er auf die misslungenen Strafeexpeditionen der Perser gegen die aufmüpfigen Griechen ein, dann auf Alexander den Großen und seine Nachfolger, die für einige Jahrhunderte die beiden großen Räume kulturell miteinander verbinden. Parallel zum Aufstieg des Römischen Reichs driften die beiden Weltteile dann wieder auseinander, besonders unter der Herrschaft der Sassaniden.

 

Schließlich zerfällt das Imperium Romanum, wird im Westen nur noch durch das römisch-katholische Christentum zusammengehalten, im Osten durch das orthodoxe Christentum und ein byzantinisches Kaisertum, das zunehmend an Macht und Herrschaftsraum verliert. Das Kapitel endet damit, dass genau an der Stelle, wo sich die beiden Kulturräume treffen, mit dem Islam eine neue Kombination von Religion und Macht entsteht.

Kapitel 2 “Hidschra” (37-51)

 

Das zweite Kapitel beschreibt zunächst einmal die auf Handel beruhende blühende Wirtschaft Arabiens gegen Ende des sechsten Jahrhunderts, zugleich aber auch den Punkt, an dem später die Kritik Mohammeds ansetzen wird, nämlich den die spezielle Vielgötterei in und um Mekka herum nutzenden religiösen Tourismus.

 

Anschließend wird das Leben Mohammeds von einfachen Anfängen bis hin zu einem erfolgreichen Kaufmann beschrieben, das schließlich in eine Sinnkrise stürzt, die der junge Mann durch Meditation in einer einsamen Höhle zu bewältigen versucht.

Dort kommt es dann zu dem visionären Erlebnis, das zunächst den jungen Mann, später seine Umgebung und schließlich eine ganze Weltgegend verändern wird.

 

Sehr gut herausgearbeitet wird dann der Kern der sich herausbildenden religiösen Überzeugung: “Mohammed sah sich als einen Nachfahren Abrahams und kannte dessen kompromisslosen Monotheismus gut. Er glaubte daher auch gar nicht, dass er etwas Neues predigte, sondern war der Überzeugung, er erneuere lediglich die Lehre Abrahams und zahlloser anderer Propheten.” (40) Entscheidend ist aber, dass Mohammed nicht irgendeinen Gott in den Mittelpunkt stellt, sondern einen “anderen und größeren Gott” (40). “Es gab nur einen Gott, und der Rest war Gottes Schöpfung: Das war die Botschaft, die er allen verkündete, die ihm zuhörten.” (40)

 

Im nächsten Teil geht es dann um den Widerstand der Geschäftsleute in Mekka gegen diesen Angriff auf die an der Vielgötterei verdienende religiöse Tourismuswirtschaft. Dieser wächst sich bis zu einem Mordkomplott aus und zwingt Mohammed zur Flucht in das 400 km nördlich von gelegene Yathrib, wo man einen Schlichter braucht, als der Mohammed sich dann auch im im sogenannten “Pakt von Medina” (so heißt der Ort seitdem) erweist.

Interessant ist die Erklärung dieser “Hidschra” (in Schulbüchern und Lexika auch als “Hedschra” zu finden als “Beginn der islamischen Gemeinschaft, der Umma” (43), was für den Verfasser auch die Nutzung des Datums (622 n. Chr.) als Beginn der islamischen Zeitrechnung legitimiert. Ausgehend von der Bedeutung des Wortes als “Durchtrennen der Bindungen” interpretiert der Verfasser das so: “Die Menschen, die sich den Muslimen in Medina angeschlossen, sagten sich von ihren Sturmesbindungen los und akzeptierten die neue Gruppierung als ihre transzendentale Gemeinschaft.” (43/44)

 

Wichtig ist die gesellschaftliche und politische Dimension dieser Gemeinschaft: “Dieses gesellschaftliche Projekt [...] ist ein entscheidender Bestandteil des Islam. Natürlich ist der Islam eine Religion, doch von Anfang an [...] stellt er auch eine politische Einheit dar. Natürlich gibt der Islam Regeln für das moralische Verhalten des Einzelnen und natürlich hofft jeder gläubige Muslim, durch deren Einhaltung ins Paradies zu gelangen. Doch es geht dem Islam weniger um die Erlösung des Einzelnen, sondern er stellt darüber hinaus einen Plan für die Errichtung einer rechtschaffenen Gemeinschaft dar” (44).

 

Die folgenden Seiten beschäftigen sich dann mit drei weiteren Versuchen der Herren von Mekka, die neue Bewegung zu vernichten. In der ersten Schlacht (von Badr) siegen die Anhänger Mohammeds, was als “Beweis für die Macht Allahs” (45) angesehen wird. Umso schlimmer dann, als man dann die nächste Schlacht (von Uhud) verliert. Allerdings gelingt auch hier eine positive theologische Erklärung: Die Anhänger Mohammeds hatten sich undiszipliniert verhalten und somit eine Lektion erteilt bekommen.

 

Die dritte und vorerst letzte Schlacht setzt dann einen neuen Akzent: Die Belagerung Medinas löst sich auf Grund innerer Unstimmigkeiten von selbst auf - aber einer von drei jüdischen Stämmen in Medina hatte heimlich mit den Feinden kooperiert. Und nun lässt Mohammed ein Exempel statuieren. Ca. 800 jüdische Männer werden hingerichtet, Frauen und Kinder ins Exil geschickt. Nach Auffassung des Verfassers “demonstrierte” diese Massenexekution “die grimmige Entschlossenheit der Muslime von Medina” (48), was zu einer großen Übertrittsbewegung führt.

 

Ansary macht an dieser Stelle eine Pause bei der Beschreibung der Entwicklung der Macht des sich formierenden Islam und wendet sich zunächst dem Koran zu. Deutlicht wird, welche Bedeutung die arabische Sprache hat, in der er verfasst ist, und dass keine Übersetzung dem Original gleichkommt.

 

Ein zweiter Punkt ist die Frage des Krieges. Hier betont der Verfasser, dass die Anhänger Mohammeds Gewalt ablehnten, aber bereit waren, sich mit allen Mitteln zu verteidigen. An dieser Stelle erscheint auch die Unterscheidung zwischen dem Dar al-Islam, dem Haus des Friedens, womit das Gebiet gemeint ist, in dem die Muslime herrschen, und dem jenseits liegenden “Dar al-Harab”, dem Haus des Krieges. Hier hätte man sich eine Erläuterung gewünscht, ob nicht die ganze Erde eigentlich unter den Willen Allahs kommen muss, was dann jede Art von Expansion rechtfertigen würde.

 

Zugleich wird auch auf den Begriff des “Dschihad” eingegangen, der sich weniger als andere arabische Begriffe auf Krieg beziehe und in erster Linie “Kampf” bedeute. “Der Kampf gilt als gut, wenn er einer gerechten Sache dient, und wenn diese gute Sache einen ‘bewaffneten Kampf’ verlangt, dann ist auch das in Ordnung und durch den Zweck gerechtfertigt.” (50). Auch hier kann man fragen, wer letztlich die Frage der Gerechtigkeit eines Kampfes definiert. Wenn die ganze Welt prinzipiell zum “Haus des Friedens” werden, also unter die Herrschaft des Islam kommen soll, dann ist natürlich auch jede Aktion gerechtfertigt, die das fördert.

 

Eine ähnliche Klarstellung hätte man sich als Leser gewünscht, wenn der Autor auf S. 50 auf Mohammeds letzte Predigt nach der friedlichen Einnahme Mekkas eingeht: “Er rief die versammelten Gläubigen auf, Leben und Besitz eines jeden Muslims als heilig zu betrachten; die Rechte aller Menschen, auch der Sklaven, zu achten, zu akzeptieren, dass Frauen Rechte über Männer hatten, genau wie Männer Rechte über Frauen hatten …”

 

Das Kapitel schließt mit Mohammeds Festlegung kurz vor seinem Tod, “er sei der letzte der Gesandten Gottes, und nach ihm würde Gott den Menschen keine Offenbarungen mehr übermitteln.” (51)

Kapitel 3: “Die Geburt des Kalifats”( 10-24 AH/632-644 n.u.Z.)

Im dritten Kapitel geht Ansari der Frag nach, wie die Muslime nach dem Tod des Propheten mit der Frage umgegangen sind, wie es weitergehen sollte.  Dabei ergibt sich für ihn wie für alle anderen Historiker das folgende Problem: „Wir wissen nicht, was wirklich passierte, denn uns liegen keine unverfälschten Augenzeugenberichte aus der Zeit vor. Was wir vor uns haben, ist lediglich die Geschichte einer Geschichte einer Geschichte und das Produkt eines Ausleseprozesses, der die mythische Bedeutung der Ereignisse herausgearbeitet hat.“ (53)

Sehr schön nach der Autor das erste Problem bei der Frage der Nachfolge Mohammeds deutlich, nämlich dass ja überhaupt erst einmal ein völlig neues Amt geschaffen werden musste. Mohammed war als Prophet nach eigenem Bekunden und im Verständnis der Gläubigen schließlich einzigartig.  Das Problem wird schließlich dadurch gelöst, dass man sich für Abu Bakr  entscheidet,  den Schwiegervater Mohammeds. Mehr oder weniger freiwillig tritt der Konkurrent Ali von der Bewerbung um die Nachfolge zurück, obwohl er dem Propheten besonders nahe gestanden hatte.  Abu Bakr  bekommt den neuen Titel eines „Kalifen“, was soviel wie Stellvertreter bedeutet.

Seine wichtigste Leistung besteht darin, die Gemeinschaft der Muslime zusammengehalten zu haben. Einige Stammesführer, die eigene Gemeinschaften gründen wollen, werden zu Verrätern erklärt und entsprechend verfolgt. Ansari beschreibt die sich daraus ergebende Tradition im Islam sehr deutlich: „Jeder Mensch hat das Recht, den Islam anzunehmen oder nicht; doch wer einmal Teil des Islam war, der war es für immer.“ (58)

Während der erste Kalif als Muster an Bescheidenheit und Besonnenheit vorgestellt wird,  ist der zweite, Omar, „berüchtigt für seine Temperamentsausbrüche“ (59), bemüht sich dann aber doch um Mäßigung.  Über die zehn Jahre seine Amtszeit fällt Ansari das Urteil: Omar „formte den Islam als politische Ideologie, gab der islamischen Zivilisation ihre charakteristische Prägung und schuf ein Reich, das selbst Rom überflügelte.“(60)

Der „Befehlshaber der Gläubigen“, so ein weiterer neuer Titel des Kalifen, wird für die Muslime zur „Verkörperung des idealen Herrschers“ (62).

Besonders hervorgehoben wird von Ansari die Verwandlung Omars vom kleinstädtischen Händler zu einem genialen Militärstrategen. Zunächst wird im Jahre 636 eine byzantinische Armee vernichtet, dann gelingt es den Muslimen sogar, das persische Sassanidenreich zu erobern. Von großer symbolischer Bedeutung ist die Eroberung Jerusalems, das nach Mekka und Medina zur dritten heiligen Stadt der Muslime wird.

Im Zusammenhang dieser militärischen Siege werden von Ansari zwei wichtige Elemente herausgearbeitet: Da ist zum einen die Frage der Legitimation eines Krieges, der immer mehr den Charakter der Eroberung annimmt: Hier spielt die Lehre von den beiden Reichen, dem muslimischen Haus des Friedens und dem nichtmuslimischen Haus des Krieges eine entscheidende Rolle. „Der Islam war demnach eine Oase der Brüderlichkeit und des Friedens in einer Welt aus Chaos und Hass. Alles was zur Ausweitung des Dar-al-Islam (Haus des Friedens) beitrug, war ein Akt des Friedens, selbst wenn es Krieg und Blutvergießen beinhaltete, denn das verkleinerte das Reich des Krieges.“ (63)

Das zweite Element ist die Frage des Umgangs mit den Besiegten, wofür die Eroberung Jerusalems zum Modell wird. Die dort lebenden Christen dürfen weiter ihren Glauben leben, müssen nur eine spezielle Steuer zahlen, die sogar niedriger ist als das, was sie dem eigenen christlichen Kaiser in Byzanz hatten zahlen müssen.

Das ist für Ansari auch bereits eine erste Erklärung dafür, warum das Reich der Muslime sich in kurzer Zeit so weit ausgebreitet hat. Als zweites Element wird die religiöse Begeisterung hervorgehoben: „Die ersten Muslime meinten, für etwas apokalyptisch Großes zu kämpfen. Sie hatten das Gefühl, der Kampf für ihre Sache gebe nicht nur ihrem Leben einen Sinn, sondern auch ihrem Tod.“ (66)

Als weiteres Element wird der Idealismus hervorgehoben, der die ersten Generationen der Muslime prägte. Für Ansari ergibt sich hier vor dem Hintergrund der weiteren Entwicklung sogar etwas wie eine „verlorene Utopie“ (66). In diesen Zusammenhang gehört auch das Verbot der Plünderung sowie die bereits angesprochene strikte Trennung von militärischer Eroberung und Bekehrung.

Ein weiterer Aspekt war der Siegeslauf der Muslime, der jeden Widerstand als sinnlos erscheinen ließ. Außerdem gab es für die von der eigenen Obrigkeit unterdrückten Menschen kaum ein Motiv, deren Herrschaft zu verteidigen.

Was die religiöse Seite von Omars Kalifat angeht, so führte er den bis heute gültigen Kalender ein, der im Unterschied zum Christentum nicht von einem Geburtsjahr ausging, sondern - mit der Orientierung am Datum der Hidschra - vom Aufbau eines muslimischen Staates.

Eine zweite wichtige Maßnahme war die Sammlung all dessen, was an Offenbarungen und Aussprüchen Mohammeds überliefert war. Daraus erwuchs die Praxis, alle auftauchenden Fragen möglichst aus dem Koran heraus zu beantworten, wo das nicht möglich war, wurde versucht, mit Hilfe derer, die den Propheten noch kannten, „herauszufinden, was der Prophet in einer ähnlichen Situation gesagt oder getan hatte“ (68).

Auf diesem Weg entstanden auch einige sehr harte Praktiken, zum Beispiel im Hinblick auf Alkoholgenuss und Ehebruch. Ansari stellt in diesem Zusammenhang fest: „Omars Gegner warfen ihm Frauenfeindlichkeit vor und seine Entscheidungen scheinen zu belegen, dass sie die Frauen für das Fehlverhalten der Männer verantwortlich machte. Um die vermeintlich zerstörerischen Kräfte der Sexualität auszuschalten, ergriff Omar Maßnahmen, um die Rollen von Männern und Frauen klar zu definieren und zu trennen. So ordnete er beispielsweise an, Frauen und Männer hätten getrennt zu beten, um zu verhindern, dass sie während des Rituals ans Sex dachten.“ (69)

Andererseits hebt Ansari auch hervor, dass es unter Omars Kalifat eine Schulpflicht für Jungen und Mädchen gab und dass Frauen noch recht gleichberechtigt am öffentlichen Leben teilnehmen durften.

Auch in der Frage der Sklaverei schreibt Ansari dem Kalifen recht menschenfreundliche Ansichten zu, um dann festzustellen: „Ironischerweise wurde Omars Leben durch einen persischen Sklaven beendet, der ihm in einer Moschee ein Messer in den Leib rammte“. (70)

Die Vorstellung des Buches wird fortgesetzt.

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