Es ist richtig und gut, den Holocaust im Gedächtnis zu behalten, damit es nie wieder vorkommt, dass Millionen von Menschen nur wegen ihrer Herkunft gequält und getötet werden.
Nur darf das nicht den Blick verstellen für das, was in unserer Zeit geschieht - an ganz anderen Orten. Ein schreckliches Ereignis aus dem Jahre 1994 ist da ein warnendes Beispiel.
Was ist 1994 in Ruanda passiert und was hat das mit uns zu tun?
- Die besondere Situation Ruandas:
In Ruanda, einem Land mitten in Afrika gibt es wie in vielen anderen Staaten dort eine ethnisch geteilte Bevölkerung: das eher Ackerbau betreibende Mehrheitsvolk der Hutu und die eher Viehzucht
betreibende Minderheit der Tutsi.
- Auslöser für den Völkermord:
Im April 1994 löst das Attentat auf die Präsidentenmaschine all das aus, was unterschwellig zwischen den Volksgruppen an Abneigng noch vorhanden war, unterstützt von Propagandisten der Hutu-Mehrheit,
die vor allem auch die Massenmedien beherrschen.
- Rolle der Propanganda:
Es wird die Parole ausgegeben: Tötet die Kakerlaken - und damit sind die Tutsi gemeint.
- Das Morden vor Ort:
Ein wochenlanges Morden beginnt, dem sich auch gemäßigte Hutu nicht entziehen können. Sie stehen vor der Wahl, auch zu töten, sogar Tutsi, mit denen sie befreundet oder gar inzwischen verwandt sind,
etwa durch Eheschließung - oder aber zu sterben.
- Die traurige Rolle der Weltgemeinschaft:
Die UNO schaut dem Treiben tatenlos zu - auf den verzweifelten Kommandeur von Blauhelm-Soldaten hört niemand. Ein Bericht in der Süddeutschen Zeitung ist hier sehr informativ.
- Das schreckliche Fazit:
Am Ende sind ca. 800.000 bis zu 1 Mio Menschen umgekommen, zu einem großen Teil durch Machetenhiebe.
- Die Frage des Umgangs mit dem Völkermord:
Interessant und lehrreich ist der Umgang der Überlebenden mit dem Völkermord, nachdem sich die Täter ausgetobt hatten. Zum einen kommt es zur juristischen Aufarbeitung vor einem Internationalen
Gerichtshof, die innerstaatlichen Prozesse in Ruanda werden nicht zuletzt dadurch behindert, dass viele Richter tot sind. Dennoch gibt es 10.000 Urteile. Viele Verfahren werden auch urdemokratisch
durch Laienrichter verhandelt. Ziel war dabei die Versöhnung zwischen Tätern und Opfern.
Eine sehr interessante Dokumentation zum Umgang der Menschen vor Ort mit den Verbrechen liefert diese NDR-Dokumentation.
- Zentrales Ziel: Versöhnung
Überhaupt steht im Mittelpunkt - ähnlich wie im Spanien der Nach-Franco-Zeit diese Versöhnungspolitik. Man versucht dabei, die herkömmlichen ethnischen Grenzen zu überwinden und eine einheitliche
Nation von "Ruandern" zu schaffen.
- Eine Lehre auch für uns? Teil 1: Umgang mit "Verstrickung"
Das ist der eine Punkt, über den wir nachdenken sollten: In Deutschland hat sich eine ausgeprägte und zum Teil sehr einseitige Verurteilungskultur entwickelt - gegenüber allem, was in den
Nationalsozialismus verstrickt war. Dabei hatten die Betroffenen häufig keine Möglichkeit, durch besseres Verhalten nach 1945 dem Fluch ihrer Geburt zur falschen Zeit zu entkommen.
- Wie Menschen wirklich sind - und was man beachten sollte:
Der andere Punkt ist die schreckliche Erkenntnis, dass Menschen, die eben noch friedlich nebeneinander und miteinander gelebt haben, zum Teil sogar zwischen den Volksgruppen "quergeheiratet" haben,
plötzlich übereinander herfallen - und zum Teil müssen. Nur, weil staatliche und gruppenspezifische Propaganda das fordert und entfesselte Gewalttäter es vor Ort durchsetzen. Umso wichtiger ist es,
vorsichtig gegenüber allen Formen der Ausgrenzung und Diskriminierung zu sein - und innerstaatliche Sicherungen auszubauen. Leider gibt es in den Zeiten der Shit-storms Tendenzen, unreflektiert und
spontan eine Art soziale Lynch-Justiz auszuüben, statt den Rechtsstaat einzuschalten. Das ist zwar noch weit von einem Völkermord entfernt, weist aber den Weg dorthin.
Nur angemerkt sei hier, dass der Film "Hotel Ruanda" beklemmend anschauliche Eindrücke liefert von dem, was damals passiert ist und möglichst nie wieder passieren sollte.