1. Die 68er sind die Generation nach denen, die den Krieg bewusst erlebt haben und dann den Kontinent und besonders das stark zerstörte Deutschland wieder aufbauen mussten. Sie mussten sich also nicht mehr primär um den Aufbau kümmern, sondern konnten sich offenen Fragen zuwenden.
2. Sie erlebten die Konzentration auf materiellen Erfolg im Wirtschaftswunder bei gleichzeitigem Verzicht auf die Bewältigung der Vergangenheit - im Unterricht hörte die Geschichte meistens lange vor Hitler auf.
3. Dazu kam die Ermüdung der CDU-Herrschaft, zunächst unter Adenauer und Erhard, die politisch Restauration bedeutete. Im Bereich der Universitäten macht das der Satz deutlich: "Unter den Talaren [damalige festliche Amtskleidung der Professoren]- der Muff von tausend Jahren!"
4. Die große Koalition ab 1966 bedeutete dann einen gewissen Aufbruch, weil auch die SPD erstmals mit in der Regierung war (nach 1949) - zugleich nahm sich die Regierung die Verabschiedung von Notstandsgesetzen vor - eigentlich eine notwendige Sache, weil bis dahin der Notstand überhaupt nicht geregelt war und zum Teil noch den Siegermächten überlassen wurde.
5. Wie das so ist, wenn man anfängt, eine Sache zu regeln, dann schaut man auch genauer hin und streitet. Weil das bei der Mini-Opposition im Bundestag kaum geschah, bildete sich unter Mitwirkung vor allem von Studenten eine Außerparlamentarische Opposition (APO), die politisch ziemlich links war und außenpolitisch die Rolle der USA im Vietnamkrieg in Frage stellte.
6. Gewalttätig wurde es, als es zum Tod des Studenten Benno Ohnesorg kam, was auch der "Hetze" der "Springerpresse" (vor allem Bild-Zeitung) mit zur Last gelegt wurde.
7. Nach dem Regierungswechsel von 1969 hin zur SPD unter Willy Brandt kam es zu einer veränderten Strategie des "Marsches durch die Institutionen", d.h. die Vertreter der Studentenbewegung wollten in die Parlamente und in die Regierungen, was ihnen auch zunehmend gelang, man denke vor allem an Joschka Fischer.
8. Eine sehr problematische Folge war, dass einige aus dem Umfeld der Proteste desillusioniert wurden, was die Mobilisierung der Arbeiterschaft anging, die war konservativer, als man gedacht hatte. Daraus entstand die RAF, die zunächst mit "Gewalt gegen Sachen" begann, z.B. Kaufhausbrände gegen den Kapitalismus, später dann auch Attentate auf sog. Vertreter des "Monopolkapitalismus". Ziel war es, den Staat in seiner Unterdrückungsfunktion zu zeigen, indem man ihn zu harten Reaktionen (etwa intensive Rasterfahndung, Autobahnkontrollen u.ä.) zwang.
9. Interessant ist die Frage, wie die nächste Generation damit umging, die als Schüler plötzlich Lehrerbeamte vorfand, die aus der Studentengeneration hervorgegangen war. Außerdem mussten sie sich z.T. mit den eigenen Eltern kritisch auseinandersetzen. Ansätze dazu werden z.B. in dem Rückblick des Philosophen Precht auf die eigene Kindheit deutlich: "Lenin kam nur bis Lüdenscheid: Meine kleine deutsche Revolution" (2005).
10. Ebenfalls interessant ist, dass nach 16 Jahren Kanzler Kohl und CDU-geführte Regierung ein mächtiger gesellschaftlicher Wandel in Gang gekommen ist, der sogar von der CDU mitgetragen wird - an diesem Wandel müssten eigentlich die Studenten von damals ihre Freude haben - man denke nur an die menschlicheren Verhältnisse heute in Schulen. Ob wir heute mehr Demokratie und Mitbestimmung haben, ist eine andere Frage.