Nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs Ende 1918 stand in Deutschland die Frage an, wie eine neue, demokratische Verfassung aussehen könnte.
An dieser Stelle gehen wir auf den Streit zwischen Vertretern von mehr direkter Demokratie und solchen von mehr parlamentarischer Demokratie ein.
Was sind die Vorteile und Nachteile einer breiten politischen Partizipation (Mitsprache im politischen Prozess)?
Am leichtesten kann man sich der Antwort näheren, wenn man von der direkten Demokratie ausgeht, denn die ist ja der Inbegriff von breiter Partizipation.
1. Die Vorteile liegen in der geringeren Möglichkeit der Korruption, der größeren Einbeziehung aller nur denkbaren Argumente und Erfahrungen und des wahrscheinlichen höheren Grades von Bereitschaft, sich zu informieren und ggf. auch zu engagieren.
2. Damit hat man aber auch schon das Problem: Viele Menschen wollen oder können sich nicht ausführlich informieren bzw. engagieren - das liegt zum Teil auch an der Komplexität der zu regelnden Probleme. Dazu kommt, dass Massen immer anfällig sind für Massenpsychologie einschließlich Propaganda und Manipulation (vgl. die Thesen von Le Bon).
3. Dazu kommen praktische Probleme: Menschen können ihre Meinung ändern - wie soll man da in größerem Maßstab oder gar international etwas regeln. Während die Unterhändler miteinander reden, bricht ihnen unten schon die Basis weg.
4. Ein spezielles Problem ist die Abgrenzung: Wo soll die Müllkippe hinkommen? Oder ein Flughabenausbau? Die unmittelbaren Anwohner werden immer dagegen sein - die weiter weg Wohnenden wahrscheinlich eher dafür.
5. Es geht wohl nicht ohne ein System von "Volksvertretung", d.h. Menschen bekommen für eine gewisse Zeit ein Mandat und müssen sich für ihre Entscheidungen dann auch rechtfertigen - spätestens vor der Wiederwahl. Ergänzen kann man das um vielfältige Formen der Einbeziehung von Erfahrungen und Interessen. So geschieht das ja heute auch im Rahmen der Bürgerbeteiligung. Aber schwierig wird es bei Themen wie der Euro-Rettung. Hier hilft es wohl nur, wenn die Abgeordneten die Folgen ihrer Entscheidungen auch selbst zu spüren bekommen: So könnten sie mit einer bestimmten Summe haften, ohne dass sie dafür eine Versicherung abschließen dürfen. Aber das dürfte in der Praxis nur schwer zu regeln sein.
6. Historisch sind vor allem zwei Fälle interessant: Zum einen griechische Stadtstaaten wie die attische Polis, zum anderen die Volksentscheide in der Schweiz. Interessant könnten auch die USA sein, wo die Leute sogar ihre Polizisten und Richter wählen - mit sehr interessanten Auswirkungen auf die Frage, wie man sich vor der (Wieder-)Wahl verhält.
Tja, das Leben ist nicht einfach - und man muss schon sehr zufrieden sein, wenn eine Gesellschaft gute Kompromisse findet, die auch funktionieren.
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