Wer ein Beispiel für eine Ballade sucht, das einen gleich tief bewegen kann, dem sei die Volksballade "Es waren zwei Königskinder" empfohlen.
Wir präsentieren sie hier in einer besonders eindrucksvollen Fassung und geben auch Hilfen zum Verständnis.
Die Ballade ist besonders gut geeignet, wenn es um ihre Ursprünge sowie die Kombination der drei Grundgattungen geht.
Wer eine Inhaltsangabe zu dieser Ballade schreiben muss, findet hier eine Anleitung:
https://www.schnell-durchblicken2.de/inhaltsangabe-ballade-koenigskinder
Die beiden Königskinder – eine Ballade, die alles enthält, was dazu gehört
Es waren zwei Königskinder,
Die hatten einander so lieb,
Sie konnten zusammen nicht kommen,
Das Wasser war viel zu tief.
1.Strophe:
Hier wird die Ausgangssituation geschildert – eine große Liebe – und ein großes Unglück, das ihr entgegensteht.
»Ach, Liebster, könntest du schwimmen?
so schwimm doch herüber zu mir!
Zwei Kerzen will ich anzünden,
Und die sollen leuchten dir.«
2.Strophe:
Die eigentliche Handlung beginnt mit einer Idee und einem Entschluss. Das damit verbundene Risiko wird stillschweigend in Kauf genommen.
Da war eine falsche Nonne,
Die tat, als ob sie schlief.
Sie tat die Kerzen auslöschen
Der Jüngling der sank so tief
3.Strophe:
Zum natürlichen Risiko kommt noch ein Verbrechen – ein Mensch, der aus unbekannten Gründen etwas gegen diese Liebe hat oder einfach nur anderen das Glück nicht gönnt, mischt sich ein, was zum Tode
des Geliebten führt.
Und als der Jüngling zu Grunde ging
so schrie sie und weinte sehr
sie ging mit verweinten Augen
wohl vor der Mutter Tür
4.Strophe:
Auf die näheren Umstände des Todes und wie die Geliebte davon erfährt, wird nicht berichtet. Es geht nur um die laute Klage und die Wendung an die Mutter.
»Ach Mutter, herzliebste Mutter,
Der Kopf tut mir so weh;
Ich möcht so gern spazieren
an den tiefen, tiefen See.«
5.Strophe:
Die Mutter ist hier keine Seelentrösterin, keine Vertraute, der man sich offenbaren kann und die einem hilft, über den Schmerz hinwegzukommen: Sie muss anscheinend nur um Erlaubnis gebeten
werden.
»Ach Tochter, liebe Tochter
allein darfst du nicht gehn
nimm deinen jüngsten Bruder
und der soll mit dir gehn.«
6.Strophe:
Die Vermutung bestätigt sich – die Tochter darf nicht alleine gehen und soll deshalb den jüngsten Bruder mitnehmen – vielleicht, weil der am ehesten am Hofe aktuell entbehrlich ist.
»Ach Mutter, liebe Mutter,
mein Bruder ist ja noch ein Kind
der schießt ja alle Vögel
die auf der Heide sind.«
7.Strophe:
Jetzt beginnen die Versuche der Geliebten, doch ihren Alleingang durchzusetzen. Hier argumentiert sie zunächst einmal mit der Jagdleidenschaft des Begleiters.
»Ach Tochter, liebe Tochter
allein darfst du nicht gehn
nimm deine jüngste Schwester
und die soll mit dir gehn.«
8.Strophe:
Die Mutter akzeptiert die Begründung, bleibt aber bei ihrem Grundsatz und schlägt nun die jüngste Schwester als Begleiterin vor.
»Ach Mutter, liebe Mutter,
meine Schwester ist ja noch ein Kind
sie pflückt ja alle Blumen
die auf der Heide sind.«
9.Strophe:
Hier kommt jetzt ein vergleichbares Abwehrargument – nur dass diesmal die Blumen bedroht sind und nicht die Vögel.
Die Mutter ging nach der Kirche,
Die Tochter ging ihren Gang.
Sie ging so lang spazieren,
Bis sie den Fischer fand.
10.Strophe:
Offensichtlich hat die Mutter aufgegeben – auf jeden Fall kann die Geliebte nun ihren Entschluss umsetzen, nämlich einen Fischer zu Rate zu ziehen.
»Ach Fischer, liebster Fischer,
Willst du verdienen großen Lohn?
So wirf dein Netz ins Wasser,
Und fisch mir den Königssohn!«
11.Strophe:
Gleich wird der Auftrag formuliert – und es geht auch um großen Lohnt. Offensichtlich will die Königstochter auf jeden Fall in die Nähe des Geliebten kommen, selbst, wenn der tot ist. Hier kann man
noch an die Vorbereitung eines Begräbnisses denken.
Er senkte sein Netz ins Wasser,
und nahm sie in den Kahn
Er fischte und fischte so lange,
Bis sie den Königssohn sahn.
12.Strophe:
Diese Strophe beschreibt die erfolgreiche Ausführung des Auftrags. Interessant ist, dass hier der einfache Fischer und die Königstochter gemeinsam – gewissermaßen als Menschen – in den Plural gesetzt
werden. Beide sehen sie den Königssohn.
Was nahm sie von ihrem Haupte
eine goldene Königskron
Sieh da, du edler Fischer
das ist dein verdienter Lohn
13.Strophe:
Als erstes geht es erstaunlicherweise um den Lohn für den Fischer – und der lässt schon ahnen, dass diese junge Frau alles hinter sich lassen will.
Was nahm sie von ihrem Finger
ein Ringlein von Gold so rot
Sieh da du armer Fischer
kauf deinen Kindern Brot
14.Strophe:
Zum Verzicht auf ihre hohe Stellung kommt die soziale Tat. Sie denkt auch an das Leiden und die Not der Familie des Fischers.
Sie schloss ihn in ihre Arme
Und küsst' seinen bleichen Mund:
»Ach, Mündlein, könntest du sprechen,
So würde mein Herz gesund.«
15.Strophe:
Ohne Überleitung wendet sie sich einem anderen „er“ zu, nämlich dem toten Geliebten. Sie behandelt ihn wie einen Lebenden, auch wenn sie weiß, dass er nicht mehr sprechen kann und ihr nur ein Wunsch
bleibt.
Sie schwang um sich ihren Mantel
Und sprang mit ihm ins Meer:
»Gut' Nacht, mein Vater und Mutter,
Ihr seht mich nimmermehr'!«
16.Strophe:
Die Königstochter springt nicht einfach ins Wasser – sondern bereitet sich auf ihre letzte Reise vor, als ginge es weiter im Leben. Ihre letzten Worte an ihre Eltern werden von denen nicht gehört,
der Fischer kann sie allenfalls überliefern, falls er es wagt, vor deren Augen zu treten.
Da hörte man Glockengeläute,
Da hörte man Jammer und Not,
Da lagen zwei Königskinder,
Die sind alle beide tot.
17.Strophe:
Die Ballade endet wieder mit einer Situation, nämlich der nun großen Trauer um zwei junge Menschen. Am Ende wird nur noch einmal auf das traurige Ende verwiesen. Der Leser bleibt mit seinen Fragen
zurück – zum Beispiel, warum ihnen nicht geholfen wurde, das tiefe Wasser auf eine weniger gefährliche Weise zu überqueren.
Mögliche Fragen und Aufgaben könnten sein:
1.Warum können die beiden Königskinder nicht auf normale Weise zu einander kommen? Am tiefen Wasser wird es wohl nicht wirklich gelegen haben. Schließlich gibt es Boote bzw. Schiffe.
2.Was für Motive könnte die „falsche Nonne“ gehabt haben, um das zumindest theoretisch mögliche Glück zu zerstören. Wichtig ist hier, dass „falsch“ hier nicht heißen muss, dass es sich nicht um eine Nonne handelt, sondern dass sie böse Absichten hat.
3.Warum wird gerade eine „Nonne“ als Gefährderin, ja Zerstörerin dieser Liebe genommen?
4.Warum geht die Ballade so wenig auf das dramatische Geschehen um den Tod des Königssohns ein, sondern beschäftigt sich so ausführlich mit anderen Dingen?
5.Was unterscheidet die Königstochter von ihren beiden Geschwistern?
6.Wie könnte man der Ballade nach dem Tod der beiden Königskinder doch noch einen positiveren Schluss geben?
7.Es gibt von dieser Ballade verschiedene Fassungen – worin unterscheiden sie sich?
http://www.mumag.de/gedichte/anonym11.html
http://gutenberg.spiegel.de/buch/deutsche-balladen-4306/66
191095000075