Was eine Kurzgeschichte eigentlich ist, kann man sehr gut an dieser kleinen Zeichnung verdeutlichen. Da sitzt jemand auf einer Bank am Wegesrand und bekommt kurz mit, wie von zwei Vorübergehenden einer zum anderen sagt: „Hm, da ist was dran.“
Was davor geschehen ist und gesprochen wurde, bleibt im Dunkel – ebenfalls weiß man nicht, wie die Beiden sich an der Kreuzung entscheiden werden, die vor ihnen liegt.
Aber eins steht fest: Bei der Person links ist etwas in Bewegung geraten, was möglicherweise ihr Leben verändern wird.
Es kann aber natürlich auch anders kommen – und dann wird sie ihren Weg fortsetzen. Der Zuhörer auf der Bank wird aber wissen, dass es da mal kurz einen Moment der Besinnung, der Einsicht gab – mit unabsehbaren Folgen.
Eine Kurzgeschichte ist nur in dem Punkt anders als das Geschehen der Zeichnung, dass wir als Mithörer bzw. Mitleser mehr mitbekommen, von der aktuellen Situation und den Überlegungen, die im Umfeld dieser nachdenklich wirkenden Bemerkung stattfinden.
Ein sehr schönes Beispiel für diesen Momente ist die Kurzgeschichte „Die Entscheidung“ von Max von der Grün. In ihr geht es um einen Schweißer Witty, der alle Voraussetzungen für den Aufstieg zum Meister mitbringt, sich aber nicht traut, bis ihm sein Vorgesetzter eine Geschichte aus seinem Leben erzählt.
Am besten lernt man, wenn man nicht theoretisch, sondern praktisch an eine Sache herangeht.
Also dann - einfach mal ausprobieren.
Das Arbeitsblatt präsentiert eine Kurzgeschichte aus und zeigt, wie man von dort aus zu einem ganzen Roman kommen könnte.
Concerto russe als interessanter Übergangs-Fall
Ein interessanter Fall von Überschneidung zwischen Kurzgeschichte und Roman wird übrigens hier
beschrieben.
Es geht darum, dass der Anfang eines Romans wie eine Kurzgeschichte verstanden und behandelt werden kann.
Schönes Beispiel für "kurzgeschichtenfähigen" Romananfang
Wer ein Beispiel für einen Romananfang sucht, der durchaus auch als Kurzgeschichte durchgehen könnte, sei verwiesen auf:
Andrea Sawatzki, Ihr seid natürlich eingeladen (Piper: München/Berlin 2016, S. 5-8. Zu dem Roman gibt es einen "Blick ins Buch".
Wenn man auf Seite 8 abbricht bei "Damit legte er auf. Ohne einen Gruß." hat man eine wunderschöne Geschichte, die mit dem überraschenden Anruf eines 19jährigen Sohns aus Los Angeles beginnt und dann
auf einer Skala der Überraschungen damit endet, dass die Mutter jetzt die Hochzeit ihres Sohnes kurz vor der Geburt eines Kindes ausrichten soll. Dazu kommt eine Familie der zukünftigen Ehefrau, die
auch noch viele Fragen aufwirft.
Wie Andrea Sawatzki in diesem Gespräch die Mutter zunehmend in Fassungslossigkeit versenkt, während der Sohn so tut, als wäre alles das Normalste von der Welt, ist schon nicht schlecht gemacht.
Anbei ein paar Vorschläge für eine mögliche Aufgabenstellung:
Aufgabenstellung:
Bei dem Text handelt es sich um die Einleitung des Romans „Ihr seid natürlich eingeladen“ von Andrea Sawatzki, Piper: München/Berlin 2016
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